Um linguistische Daten im Rahmen meiner Masterarbeit zu sammeln, habe ich vom 31. August bis 2. November 2017 Feldforschung auf Big Island in Hawai'i gemacht. Ich habe in Kea'au gewohnt und die meiste Zeit mit Informanten in Pāhoa, Mountain View oder an der Universität in Hilo verbracht. Für mein Projekt zur Untersuchung von "Matter and Pattern Replication" im Hawaiianischen durch den Einfluss des Englischen habe ich gezielt Aufnahmen mit Erstsprach- und Zweitspracherwerbern und mit Hilfe von anderen Sprechern davon Transkriptionen und Analysen erstellt, sowie geschriebene Texte untersucht. Einerseits liess ich kulturelle, und andererseits neumodische Geschichten erzählen sowie natürliche, spontane Sprachdaten aufnehmen.
Zusätzlich zu dieser Forschungsreise bin ich vom 28. Februar bis zum 5. März desselben Jahres vorher schon nach Hawai'i geflogen, um an einer Konferenz zum Thema "Revitalisierung bedrohter Sprachen" am Beispiel des Hawaiianischen teilzunehmen.
Das Hawaiianische ist eine bereits dokumentierte Sprache, die eine Phase der "Sprachlosigkeit" durchlebt hat und deshalb zurzeit auf den Inseln - vor allem O'ahu und Big Island, aber auch auf Maui und Kaua'i - revitalisiert wird. Sie durchlebt viel Sprachwandel, da das Englische über mehrere Jahrzehnte hinweg (und noch immer) grossen Einfluss nehmen konnte, da Hawai'i am Ende des 19. Jahrhunderts von den Vereinigten Staaten Amerikas annektiert und ab Ende der 50er Jahre dann sogar Staat derselben wurde.
Am Anfang meines Aufenthaltes bin ich zuerst auf einige Hürden gestossen, die es zu überwinden hiess. Das grösste Problem war, dass die Sprechergemeinschaft hinsichtlich der eigenen Sprache zwiegespalten ist. Auf der einen Seite gibt es Vertreter der "traditionalistischen Sichtweise", die denken, dass Sprache sich nicht verä ndern darf und dass es nur noch ein "wahres" Hawaiianisch gibt - nä mlich dasjenige, das auf der Insel Ni'ihau gesprochen wird. Diese befindet sich schon seit der Zeit vor der Annexion in Privatbesitz, wodurch sie vor allem vom Tourismus weitgehend unberührt ist und den herkömmlichen hawaiianischen Lebensstil erhalten konnte. Nur wenige hundert Muttersprachler leben dort und es gibt keinen Geldumlauf, keine Elektrizitä t und Technik (teilweise wird Solarenergie gebraucht), keine Sanitä ranlagen, keine befestigten Strassen und Autos, keine Lä den, keine Restaurants, sowie keine Ärzte, Polizei oder Feuerwehr. Es braucht eine explizite Genehmigung die "Verbotene Insel" zu besuchen - der Isolationismus wurde aber in den letzten Jahrzehnten etwas gelockert. Auf der anderen Seite gibt es Sprecher, die einer "linguistischen Auffassung" sind, dass Sprachkontakt und Sprachwandel durchaus existieren und für die weitere Sprachentwicklung und Sprachrevitalisierung sogar von Nutzen sind. Da meine Hauptinformantin mich auf Big Island mit Personen in Verbindung gebracht hatte, die dachten, ich würde ersteren Standpunkt vertreten, musste ich zuerst meinen Forschungsbereich genau festlegen und diesen anschliessend jenen Leuten prä sentieren und sie von meinem Vorhaben überzeugen. Ausserdem gestaltete es sich für mich als Schweizerin ein wenig schwierig, mich an das gelassene Inselleben zu gewöhnen, vor allem in Bezug auf die Abmachung von festen Terminen - zusä tzlich arbeiteten meine Informanten jeweils Vollzeit.
Ich hätte natürlich sehr gerne auch einige Zeit meiner Feldforschung auf der Insel Ni'ihau verbringen wollen, um einen Vergleich der "beiden hawaiianischen Sprachen" zu starten. Leider war es mir aber zeitlich auch nicht möglich, mich im Allgemeinen mit Sprechern anderer Inseln zu treffen. Dafür konnte ich aber wertvolle Kontakte für potentielle weitere Forschungsreisen knüpfen.
Während des zweimonatigen Aufenthalts auf Big Island habe ich viele hilfreiche Daten zu der Sprache sammeln können, die mir vor allem für den Teil meiner Masterarbeit vorteilhaft sein werden, der sich praktisch mit dem Sprachkontakt und Sprachwandel im Hawaiianischen auseinandersetzt. Zusäzlich zu den etwa 4-stündigen Aufnahmen des Hawaiianischen, habe ich viele nützliche Wörterbücher, Zeitschriften, Lehrhefte und Geschichtensammlungen erwerben können.
Insgesamt bin ich mit den Ergebnissen meines Aufenthaltes zufrieden. Die Zeit hat gerade gereicht, um die gewünschten Informationen zu bekommen. Vermutlich werde ich aber erst zu einem späteren Zeitpunkt, sobald ich meine Masterarbeit definitiv anfangen werde zu schreiben, erfahren, ob die Daten ausreichen werden. Das angeeignete Wissen wird mir aber sicherlich bei zukünftigen Feldforschungsreisen nützlich sein. Ich konnte mir aber nicht nur linguistische Kenntnisse, sondern auch wertvolle Lebensfertigkeiten aneignen. Kurz gesagt, bin ich sehr dankbar, die Möglichkeit gehabt zu haben, aktiv Feldforschung zu betreiben, da ich eine neue Sprache und eine andere Kultur kennenlernen durfte und wundervolle Freundschaften geschlossen habe.